5 Punkte, um eine gesunde Unternehmenskultur zu erkennen

Wir haben am Freitagnachmittag in illustrer Runde diskutiert, wie man als Externer ein Gefühl für die gelebte Kultur in einem Unternehmen bekommen kann. Über die Kultur spiegelt sich vieles wider:

  • Wie funktionieren Prozesse und Entscheidungswege?
  • Werden Mitarbeitende als „Personalkapazitäten“ oder Individuen betrachtet?
  • Ist der Umgang miteinander formal-distanziert oder steht das Wir-Gefühl im Vordergrund?

1. Meetings

Wie häufig finden Besprechungen statt und wie lange dauern sie? Gibt es ein vorab festgelegtes Ziel oder trifft man sich zum allgemeinen Austausch ohne Agenda? Wie gut sind die Teilnehmenden vorbereitet? Startet und endet das Meeting pünktlich?

ch habe zurückblickend viel zu häufig an Meetings teilgenommen, zu denen ich keinen Beitrag leisten konnte oder die für mich so uninteressant waren, dass im Nachgang ein Blick auf das (gern auch stichtpunktartige) Ergebnis-Protokoll ausgereicht hätte.

Über die Einhaltung von Start- und Endzeiten erkennt man schnell, ob die Planung des Zeitfensters realistisch gewesen ist und ob Motivation und Zuverlässigkeit auf dem erforderlichen Mindestmaß sind. Wenn sich herausstellt, dass ein Großteil der Teilnehmenden unvorbereitet erschienen ist, hilft oft nur verschieben, da ein „offenes Brainstorming“ derjenigen, die sich selbst gern reden hören, nicht zielführend ist.

Meeting-Erfolgsfaktoren

  • Als Organisator sollte bei der Gestaltung der Einladung und der Bestimmung des Teilnehmerkreises darüber nachgedacht werden, wer unbedingt erforderlich ist und wer informativ im Nachgang eingebunden werden kann.
  • Brauchen wir eine Besprechung oder gibt es andere Wege, um ein Thema abzustimmen: Viele Themen lassen sich hervorragend über Instant Messaging (Slack, Teams, Mattermost, Rocketchat) diskutieren, ersparen eine Menge Zeit und dokumentieren automatisch die Herleitung einer Entscheidung.
  • Die goldene Regel: Kein Meeting ohne Agenda und ohne Vorbereitung. Auch wenn ein offener Austausch geplant ist, hilft eine für alle Teilnehmenden einsehbare Agenda, keine wichtigen Punkte zu vergessen.
  • Präzise Zeitplanung: Da Teilnehmende häufig Anschlußtermine haben, empfiehlt sich eine feste Endzeit (z.B. immer 15 Minuten vor der vollen Stunde). Das funktioniert natürlich nur dann, wenn alle Mitwirkenden ihre Kalender vernünftig pflegen und Zeiten für Orts- und Gebäudewechsel frühzeitig blocken.

2. Pronomen

Dominiert in Gesprächen das „Wir“ oder das „Ich“ ?

Auch wenn Blender und Pfeifen inzwischen darauf konditioniert sind, wann sie in der Wir-Form reden sollten, erkennt man recht schnell, ob echter Team-Spirit besteht. Wird auf Augenhöhe kommuniziert oder spielen sich immer wieder die gleichen Personen in den Vordergrund? Halten sich Krümel-Kollegen*innen zurück, wenn der vermeintliche Kuchen am sprechen ist oder bringen sie sich in Workshops und Diskussionen gleichebrechtigt ein?

3. Work/Life Balance

Zu welchen Zeiten arbeiten die Menschen im Unternehmen? Wirken sie im Allgemeinen eher gestresst oder gelassen? Wird die Leistungserbringung vor Ort erwartet oder gibt es Möglichkeiten, um ortsnabhängig zu arbeiten?

Viele Unternehmen legen großen Wert darauf, insbesondere im Recruiting-Prozess auf eine tolle Work/Life Balance hinzuweisen. Potentielle Bewerber*innen sollen zum Einstieg begeistert werden. Leider hört man im Alltag viel zu oft, dass eine Präsenzkultur besteht, bedingt sinnvolle „Kernarbeitszeiten“ definiert sind oder auch freie Tage gestrichen werden „mussten“. Ein Bekannter von mir verfügte über ein Überstundenkonto jenseits der 150 Stunden und wurde von seinem Arbeitgeber in den Zwangsurlaub geschickt. Das kann auf Dauer nicht gesund sein.

Gerade für „Wissensarbeiter“ sollte es möglich sein, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten. Jeder Mensch hat Zeiten und Orte, in/an denen er oder sie am produktivsten ist und niemand sollte wertvolle Urlaubstage, die der Erholung dienen sollten, „verbrennen“ müssen, weil der Nachwuchs krank geworden ist oder ein Handwerker kommen muss.

Indikatoren & Erfolgsfaktoren

  • Definiert sich die Leistungserbringung ausschließlich über gebuchte Arbeitszeit oder über generierten Impact?
  • Besteht die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten?
  • Gibt es Initiativen außerhalb der üblichen Arbeitszeiten wie z.B. Sport-Teams und gemeinsame Unternehmungen?
  • Werden freie Zeiten für Ehrenämter angeboten oder sogar als Unternehmen ehrenamtlich etwas bewirkt?

Nachgedanke

Bei selbstorganisierten Teams, in denen alle darauf bedacht sind, ihre gesetzten Ziele gemeinsam zu erreichen, regeln sich Punkte wie Kernzeiten, Serviceverfügbarkeit und Vertretungsregelungen üblicherweise von selbst. Wenn die Kommunikation funktioniert und gegenseitiges Vertrauen & Transparenz den Alltag bestimmen, wird gern auch einmal spontan eingesprungen oder ein abgestimmter „Plan B“ entwickelt.

4. Konflikte

Wie wird in Konfliktsituationen miteinander umgegangen? Werden diese schnell und für alle Seiten verträglich gelöst? Oder werden selbst einfache „Buschfeuer“ über Vorgesetzte eskaliert?

Grundsätzlich ist es im ersten Schritt wichtig zu verstehen, was die eigentliche Ursache des Konflikts ist. Liegt die Entstehung in fachlich begründeten Differenzen oder wird etwas auf der persönlichen Ebene ausgefochten? Werden Konflikte untereinander und im Team gelöst? Oder schwelen sie lange vor sich hin, bis ein Flächenbrand entsteht?

Statt top-down für eine schnelle Lösung zu sorgen ist es die Aufgabe einer modernen Führungskraft, frühzeitig als Moderator und Facilitator einzuspringen und eine neutrale Lösung, durch die kein Beteiligter als „Verlierer“ hervorgeht, zu finden. Leider gleichen Gespräche zur Konfliktlösung heutzutage immer noch häufig einem Gerichtsprozess, in dem die Beklagten Argumente vorbringen, so dass eine Partei gewinnt und eine verliert – oder es müssen Kompromisse eingegangen werden, bei denen keiner ein gutes Bauchgefühl hat.

5. Wissensaustausch & Lernen

Jedem Unternehmen sollte daran gelegen sein, dass die Mitwirkenden auf allen Ebenen zum Lernen, Weiterbilden und Entwickeln angehalten werden. Auch wenn der Spruch „Man lernt nie aus“ schon etwas abgedroschen klingt – es ist so. Wir Menschen befinden uns in einem lebenslangen Lernprozess, der große Chancen mit sich bringt.

Lew Platt, der ehemalige CEO von HP hat es auf den Punkt gebracht:

„If HP knew what HP knows, we would be three times as profitable.“
Lew Platt, CEO Hewlett-Packard

Häufig wissen Unternehmen nicht, welche Skills sich im Unternehmen verbergen, da sich niemand die Mühe gemacht hat, dies herauszufinden. Die Förderung von aktivem Lernen kostet zwar Geld, ist aber für alle Beteiligten ein gutes Invest.

Erfolgsfaktoren

  • Gibt es eine Vielfalt an Aus- und Weiterbildungsangeboten?
  • Gibt es eine Bibliothek und aktuelle Zeitschriften, die allen zur Verfügung stehen?
  • Findet ein regelmäßiger Austausch von Wissen untereinander statt? (z.B. durch Open Spaces oder Brownbag Meetings)
  • Werden Initiativen wie „Working Out Loud“ oder „LernOS“ angeboten?
  • Die Killer-Frage, die kein Unternehmen der „alten Garde“ gerne hört: Trauen sich Mitarbeitende Bildungsurlaub in Anspruch zu nehmen?

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